Wenn sich alt-Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der Berner Regierungsrat Philippe Müller, SVP-Nationalrat Hans Jörg Rüegsegger oder Divisionär Alexander Kohli und viele weitere hochkarätige Persönlichkeiten im Parkhotel in Langenthal einfinden, dann muss es sich um einen besonderen Anlass handeln. In der Tat: Auf dem Programm stand der offizielle Tag beim Eidgenössischen Schützenfest der Veteranen in Langenthal und Melchnau und damit der Höhepunkt des 14-tägigen Anlasses.
Viel Lob für das OK
Viele der geladenen Gäste, aber auch etliche Besucher und nicht zuletzt die Schützinnen und Schützen aus der ganzen Schweiz zeigten sich angetan vom Fest im Oberaargau. «Ich bin tief beeindruckt vom Engagement und dem grossen Einsatz des Organisationskomitees, das diesen tollen Anlass mit Bravour gemeistert hat», sparte Beat Abgottspon, Präsident des Verbands Schweizerischer Schützenveteranen (VSSV) nicht mit Lob. Nicht nur die reibungslose Organisation, die tadellos durchgeführten Wettkämpfe sowie die friedliche und kameradschaftliche Stimmung beeindruckten ihn, ganz besonders erfreut war er über jenen Preis, den er als erfolgreicher Schütze mit nach Hause nehmen durfte: Einen grossen Laib Käse, den der Walliser mit seinen Schiesskameraden voller Stolz in Empfang nahm.
Ja, der Käse aus der Käserei Spycher in Bleienbach hat dieses Schützenfest dominiert und unzählige Teilnehmer erfreut. Wie es dazu kam, schilderte OK-Präsident Christian Hadorn am offiziellen Tag vor der Festgemeinde. Der Ochlenberger erzählte, dass es seine Idee gewesen sei, einen zusätzlichen, fünften Stich anzubieten, den Käse-Stich. Dieser Vorschlag sei bei den Verantwortlichen der Schützenveteranen zuerst nicht gut angekommen, dann aber doch bewilligt worden. «Unsere Hartnäckigkeit hat sich gelohnt, denn dieser Stich war bei den Schützinnen und Schützen äusserst beliebt», stellte der ehemalige Unternehmer und Berner SVP-Grossrat mit Genugtuung fest.
«Hier erleben wir Heimat»
Käse verkörpert wie kein anderes Lebensmittel unser Land. Aber auch das Schiesswesen, wie Divisionär Alexander Kohli bei seiner Festansprache herausstrich. «Hier erleben wir Heimat», sagte er mit Blick auf das Eidgenössische Schützenfest. «Bei den Veteranenschützen erkenne ich Werte wie Kameradschaft, Stolz, Disziplin, Kompetenz und Zuverlässigkeit, die viele Personen in der Schweiz teilen.» Doch Kohli zeigte sich zugleich auch besorgt und wies darauf hin, dass diese Werte und der Freiheitsgedanke, der unser Land seit Jahrhunderten auszeichnet, in Gefahr seien. «Es stimmt mich nachdenklich, dass ich dies bei meinen Ansprachen immer wieder betonen muss, obwohl ich davon ausgehe, dass dies für uns alle selbstverständlich sein sollte. Leider ist das in unserem Land nicht mehr überall der Fall.»
Kohli kam natürlich auch auf die Herausforderungen der Armee zu sprechen. Beim Blick auf die aktuelle, geopolitische Lage, müsse eigentlich jedem Schweizer klar sein, dass wir unsere Verteidigungsfähigkeit stärken müssten. Der Hauptzweck der Armee sei nämlich die Landesverteidigung. «Je früher wir dafür das nötige Geld zur Verfügung haben, desto eher sind wir für diese Aufgabe parat. Aktuell sind wir dazu nicht in der Lage, das ist eine bedenkliche Realität», gab er zu verstehen.
Der letzte Schuss war der Einfachste
Dominique Bühler (glp), aktuelle Berner Grossratspräsidentin bezeichnete das Schweizer Schiesswesen als einen faszinierenden Sport, der im Ausland nicht selten für Kopfschütteln sorge. «Im Ausland stellt man mit einem gewissen Erstaunen fest, dass Schiessen und Geselligkeit durchaus einhergehen können. Gleichzeitig beweisen wir, dass eine hohe Waffentragquote nicht gleichbedeutend mit einer hohen Anzahl Waffendelikten sein muss. Dieses Phänomen ist einzigartig auf der Welt und darauf dürfen wir stolz sein.»
Nebst den üblichen Ritualen am offiziellen Tag wie Fahnenübergabe, musikalischen Darbietungen und einem Festbankett, sorgte ein weiterer Ehrengast für einen unverhofften Höhepunkt. OK-Präsident Christian Hadorn durfte nämlich auf der Bühne die neue Schweizer Olympiasiegerin Gewehr 50 m Dreistellung, Chiara Leone, zu einem Gespräch empfangen. Diese erzählte, dass der unerwartete Triumph vor wenigen Wochen in Paris zu sehr viel Jubel, aber auch reichlich Trubel geführt habe. Sie sei mit Anfragen für Interviews und Auftritten überhäuft worden. Die junge Schützin zeigte sich dabei aber äusserst gelassen und sagte. «Es ist für mich schön, meine Goldmedaille immer wieder feiern zu dürfen.»
Sie schilderte auch, dass sie durch ihren Vater, einen Schützen, zum Schiesssport gekommen sei. «Das Schiessen hat mich fasziniert und meinen Ehrgeiz geweckt.» Wohin dieser Ehrgeiz geführt hat, wissen wir mittlerweile, aber nicht, was Chiara Leone vor ihrem Goldschuss fühlte, als sie wusste, dass sie mindesten einen Treffer von 10,3 Punkten realisieren musste. Mit 10,8 Punkten meisterte sie diese Herausforderung auf brillante Art und Weise. «Vor diesem letzten Schuss sind bei mir viele Gedanken hochgekommen. Doch ich sagte mir, dass es ja nur noch ein Schuss ist, weshalb ich jetzt alle meine Energie in diesen letzten Schuss investieren kann. Und so war dann dieser Schuss eigentlich der Einfachste, weil ich letztendlich bloss meinen Job und meine Leidenschaft ausüben musste.»
Es wurde aber nicht bloss gefeiert und Ansprachen gehalten, im Mittelpunkt des Eidgenössischen Schützenfestes der Veteranen stand selbstverständlich der Schiesssport. Pünktlich um 8 Uhr früh standen am Montag, 19. August, die ersten Veteranen-Schützinnen und Schützen am Stand der Munitions-Ausgabe bei der Schiessanlage Weier in Langenthal sowie der Schiessanlage «Fischbächli» in Melchnau.
Eine logistische Meisterleistung
Nicht nur die Teilnehmenden waren froh, dass es endlich losging, auch das rund 30-köpfige Organisationskomitee war erleichtert, als die ersten Schüsse fielen. Drei Jahre lang wurde der Grossanlass mit viel Herzblut und Aufwand geplant, vorbereitet und organisiert. Und OK-Präsident Christian Hadorn (Ochlenberg) strahlte nach den ersten Tagen, weil alles reibungslos verlief und das Fest bei den Teilnehmern sehr gut ankam. So meinte beispielsweise ein Schütze, dass dies eines der am besten organisierten Feste sei, an dem er je teilgenommen habe.
So viel Lob schmeichelt Hadorn, der aber realistisch blieb und sagte: «Natürlich haben wir in den ersten Tagen ein paar ‹Kinderkrankheiten› zur Kenntnis nehmen müssen, die wir aber sofort beheben konnten. Ansonsten verläuft der Anlass störungsfrei und ist top organisiert. Dafür musste sich das OK aber mächtig ins Zeug legen. Allein nur schon die Verteilung der Teilnehmenden auf die beiden Schiessanlagen erfordert eine logistische Meisterleistung. So reisten viele Schützinnen und Schützen mit dem Car an. Diese werden bei der Eishalle in Schoren parkiert. Die angereisten Teilnehmenden wurden anschliessend mittels Shuttle-Busbetrieb zwischen Langenthal und Melchnau hin und her transportiert. An beiden Schiessstandorten war zudem eine Infrastruktur für den Festbetrieb mit Verpflegung, Anmeldung, Munitions-Ausgabe und weiteren Dienstleistungen für die Teilnehmenden errichtet worden.
Mit viel Ehrgeiz dabei
Den Schiessenden wurde aber noch mehr geboten, so ist beispielsweise die Schiessanlage Weier mit der neusten digitalen Treffer-Anzeige ausgestattet, womit der mitgereiste Anhang im rückwärtigen Raum unmittelbar nach der Schussabgabe auf einem Bildschirm die Ergebnisse sehen kann.
Geschossen wurde mit der Pistole (25 und 50 m) sowie mit dem Gewehr. Obwohl im fortgeschrittenen Alter, hat der Ehrgeiz bei vielen nicht nachgelassen, was anhand der Reaktionen nach absolviertem Programm festgestellt werden konnte. Bisweilen überbordete der Ehrgeiz beim einen oder anderen Teilnehmer, wie OK-Mitglied Andreas Büchler (Ressort Schiessbetrieb Melch-nau) feststellte.
«In diesen Momenten war es wichtig, dass wir vom OK und unsere Helfer ruhig bleiben, mit den Teilnehmenden das Gespräch suchten, sachlich und kooperativ nach Lösungen suchten oder entsprechende Hilfe boten. Auf diese Weise entspannte sich die Situation schlagartig. Die Nervosität und Hektik bei den betroffenen Schützen ist dann jeweils schnell wieder verflogen. Viele waren sogar dankbar für das besonnene Eingreifen von uns.»
Gross war die Erleichterung auch bei OK-Mitglied Peter Kurth aus Langenthal, der für das Ressort Personal zuständig war. Dieser hatte nämlich im Vorfeld des Anlasses einige schlaflose Nächte beim Blick auf die angemeldeten Helfer. Rund 700 galt es zu rekrutieren, die mit einem Kraftakt aufgetrieben werden konnten. «Es freut mich ungemein, dass es gelungen ist, einen solchen Grossanlass in unserer Region durchzuführen», war OK-Präsident Christian Hadorn schon bei Halbzeit stolz auf das Erreichte.
Dramatisches Duell im Ständematch der Sportschützen
Die Schützen zeigten während den 14 Tagen, dass der Begriff Veteran nicht unbedingt bedeuten muss, zum «Alten Eisen» zu gehören. Im Gegenteil, in allen fünf Stichen zeigten die Teilnehmer zum Teil beachtliche Leistungen. So konnten immer wieder Maximal-Punktzahlen in den einzelnen Stichen notiert werden. Den krönenden Abschluss bildete dann am letzten Tag der Ständematch.
Dabei kam es bei den Sportschützen zu einem absolut würdigen Finale, lieferten sich doch die Gruppen Luzern und Schwyz einen packenden Zweikampf. Am Ende totalisierten beide Gruppen 778 Punkte, die Luzerner sicherten sich auf Grund der höheren Einzelresultate Gold. Dem Siegerteam gehörten an: Alfred Frank, Josef Müller, Beat Dahinden und Werner Gisler. Auch in der Einzelwertung der Sportschützen setzte sich mit Alfred Frank (197 Punkte, Jahrgang 1954) ein Luzerner an die Spitze, vor dem jüngeren Obwalder Toni Küchler (Jahrgang 1960), der ebenfalls 197 Punkte totalisierte. Bei den Pistolenschützen 25 m siegte bei den Gruppen Neuenburg, über die 50-m-Distanz triumphierten die Zürcher. (Walter Ryser)