Fédération sportive suisse de tir

Vom SSZ Riedertal nach Sydney

Hören – abdrücken – nachhören: unter diesem Motto hat Claudia Kunz im Wallis trainiert.

Hören – abdrücken – nachhören: unter diesem Motto hat Claudia Kunz im Wallis trainiert.

Die sehbehinderte internationale Spitzenschützin Claudia Kunz-Inderkummen (ursprünglich aus Turtmann) war wie schon in den letzten Jahren für eine ganze Trainingswoche im SSZ Riedertal Visp anzutreffen. Betreut wurde sie vom Nati-Trainer Heinz Reichle und begleitet vom aktuellen Weltmeister der Herren, Patrik Moor aus Österreich.

Obwohl Claudia Kunz-Inderkummen zum wiederholten Male in Visp trainiert – sie schätzt die Nähe zum Heimatort und die perfekte Indoor-Infrastruktur im Riedertal –, ist es doch für Laien und aktive Schützen immer wieder beeindruckend, sie im Training zu beobachten. Was diese Sportlerin trotz schwerer Sehbehinderung (sie sieht auf dem rechten Auge nur 12%, auf dem linken nur hell/dunkel) an Lebensfreude, Humor und Willensstärke versprüht, ist einfach vorbildlich.

Nach drei Tagen harten Trainings mit vielen 60 Schuss-Matches und anschliessendem doppeltem Final als Härtetest folgte am Mittwochabend ein gemütlicher Raclette-Hock bei Schützenkollege und Cousin Erich Salzgeber in Raron. Am Donnerstag wurden die Luftgewehre im Koffer gelassen und ausgeruht; dafür war Mentaltraining angesagt.

Am Freitag und Samstag folgten weitere Trainingseinheiten. Total wird Claudia Kunz im Riedertal weit über 1500 Schuss unter Wettkampfbedingungen Richtung Scheibe schicken, und zwar über das Gehör. Scheibe und Sportgerät sind über eine hochauflösende Kamera miteinander verbunden, ein fotooptischer Richtstrahl zum winzigen Zentrum wird in ein akustisches Signal umgewandelt. Über Kopfhörer orientiert sich Claudia an einer bestimmten Frequenz, die ihr anzeigt, ob das ideale Zielbild erreicht wurde. Dann muss sie den Schuss nur noch sauber auslösen und «nachhören», wie ihr der Trainer ab und zu geduldig empfiehlt. Bei sehenden Schützen nennt sich das «nachschauen» oder «nachhalten».

Seit einem Jahr gibt es eine neue Hürde für die sehbehinderten Schützen/innen, wird doch nicht mehr auf die Luftpistolenscheibe, sondern auf die originale Luftgewehrscheibe geschossen. Die Zehn ist hier nur 0.1 mm «gross», wenn man dieses Adjektiv hier überhaupt noch gebrauchen kann.

Nach einer zeitlich und nervlich aufwendigen Korrekturphase des Schulteranschlages, den Claudia mittlerweile wieder im Griff hat, zeigen die Resultate deutlich nach oben. Trainer Heinz Reichle entgeht kein noch so winziges Detail vom Einrichten bis zum letzten Finalschuss und beide zeigen oft zeitgleich denselben Fehler an. Weicht der Lauf nur 1 mm in eine Richtung ab, sitzt der Schuss nicht im Schwarzen….

Nach einer Woche Riedertal geht es für eine Woche zurück nach Uster, wo dann unter «Sydney-Bedingungen» trainiert wird, d.h. von 01.00 - 04.30 Uhr nachts. Wie bitte? Claudia Kunz’ nächster Einsatz ist nämlich die WM der Sehbehinderten in Sydney, wo sie gegen starke internationale Konkurrenz in den Disziplinen Luftgewehr stehend und liegend antreten wird. Deshalb auch der australische Ohrwurm während des Trainings: «Waltzing Mathilda».

Bizarres Detail am Rande: Für die temporäre Einfuhr von zwei Luftgewehren mussten nicht weniger als 30 Formulare ausgefüllt werden; in Sydney wird eine Polizeieskorte die «schwer bewaffneten Sehbehinderten» zum Wettkampfort begleiten.

Claudia Kunz und ihr Trainer nehmen diese bürokratische Hysterie mit Humor und Gelassenheit. Beste Voraussetzungen für ein gutes Resultat und hoffentlich auch eine Medaille. Davon träumt «Shooting Claudia» zu den Klängen von «Waltzing Mathilda» nämlich schon seit Jahren… (Francis Pianzola)

Galerie

Impressionen von der Trainingswoche

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