Herr Koller, interessiert es in der heutigen Zeit noch jemanden, dass vor über 600 Jahren die Appenzeller bei den beiden Schlachten Vögelinsegg (1403) und Stoss (1405) für ihre Freiheit kämpften?
Ivo Koller: Genau das ist meine Überzeugung! Wir müssen die geschichtsträchtigen Ereignisse vom 15. Jahrhundert weitererzählen und die grossartige Leistung unserer Vorfahren würdigen und ehren. Die Appenzeller Freiheitskämpfer haben damals für die uns so wichtige Freiheit gekämpft und sich mit Leib und Leben dafür eingesetzt. Neu bieten wir eine Führung zum Stoss Denkmal an, mit den Erläuterungen zu den damals festgehaltenen Fakten und Mythen.
Mit dem neuen Präsidenten, Toni Brunner, ist es ihnen gelungen, eine Persönlichkeit zu holen, welche mit seiner Ausstrahlungskraft und seinem Netzwerk bis zu den Bundesräten dem Verband enormen Vorteil bringen wird?Toni Brunner ist für unser Stoss-Schiessen sehr wichtig. Als politisch perfekt vernetzte Persönlichkeit und mit seiner authentischen frischen Art, strahlt er Motivation, Zuversicht und eine enorme Überzeugung aus. Ich freue mich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen ein nachhaltiges Stoss Schiessen organisieren zu dürfen.
Am Stoss-Schiessen 1955 (650 Jahre Schlacht am Stoss) beteiligten sich weit über 2000 Schützen am sportlichen Wettkampf. Ist es ihr Ziel, diese Teilnehmermarke wieder zu erreichen?
Ja, ich träume davon – aber ich bin Realist genug um zu wissen, dass eine grosse Aufgabe vor uns liegt. Mit der Zusammenlegung der beiden Historischen Schiessen «Vögelinsegg» und «Stoss» haben wir die einmalige Chance grosses zu erreichen. Ich habe mir vorgenommen während der kommenden 5 Jahre darauf hinzuarbeiten. Wir müssen dem Stoss Schiessen eine Art Kranzfest Charakter verleihen, damit wir es schaffen, dass möglichst viele Schützinnen und Schützen aus der ganzen Schweiz dazu gehören und mitschiessen wollen.
Der Vögelinsegg-Schützenverband musste auf Ende 2019 in Folge Schliessung der Schiessanlage in Speicher die Auflösung bekannt geben. Eigentlich können Sie jetzt davon profitieren. Haben Sie absichtlich in ihrem neuen Logo auch den Hinweis «Gedenkschiessen an die Schlacht bei Vögelinsegg» angebracht?
Im neuen Logo erscheinen beide Schlachten mit den bekannten Jahrzahlen zu den geschichtsträchtigen Ereignissen im Appenzellerland. Ebenfalls wird das Wahrzeichen, die Stoss Kapelle, abgebildet sein. Und im Hintergrund erscheint eine Zielscheibe.
Neu wird auch sein, dass es einen Wettkampf für Schützen mit einer Sportwaffe geben wird. Eigentlich atypisch für ein Historisches Schiessen wo nur mit Ordonanzwaffen geschossen wird?
Ivo Koller: Das ist so. Wir sind schweizweit die Ersten, die diese Kombination anbieten dürfen. Die Bewilligung der zuständigen Militärbehörde liegt uns vor. Das Historische Stoss Schiessen bleibt den Ordonnanz Gewehr- und Pistolenschützen vorenthalten. Das Historische Vögelinsegg-Schiessen wird als Gedenkschiessen ausschliesslich den Sportschützen zugänglich gemacht. Ein Gewehrschütze darf also nur einen Wettkampf absolvieren, eine Kombination mit dem Ordonnanz-Pistolenschiessen ist möglich.
Es gibt noch 16 Historische Schiessen in unserem Land. Was wünschen Sie sich am meisten für den Neustart am Stoss-Schiessen?
Da gibt es viel:
1. Eine unfallfreie Durchführung auf dem feldmässig aufgebauten Schiessstand Stoss in Gais AR.
2. Einen Grossaufmarsch der Sportschützen sowie der Ordonnanz Gewehr- und Pistolenschützen mit viele Zaungäste im Zellweger Stoss Zelt.
3. Ein schönes von Kameradschaft geprägtes Schützenfest samt feierlicher Schützen Landsgemeinde mit Festlaune und positiver Ausstrahlung über die ganze Schweiz hinaus.
4. Den langfristigen Fortbestand und Erhalt des feldmässigen, traditionsreichen Stoss Schiessens.
Interview: Peter Fässler