Ein milder föhniger Herbsttag erwartete die Pistolenschützen und deren Anhang auf dem Rütli zum 82. Historischen Pistolenschiessen. Das erste Schiff mit den 40 Urner Schützen, die gleichzeitig als Helfer im Einsatz standen, und den 25 Zeigerkinder traf schon kurz nach 7 Uhr auf dem Rütli ein. Danach folgten im Halbstundentakt die nächsten Schiffe aus Brunnen Richtung Rütli.
Die Bedingungen sorgten am Sonntag, insbesondere am Morgen für einen fairen Wettkampf. Die Schützinnen und Schützen am Nachmittag hatten eher Probleme mit den stärker werdenden Föhnböen. Insgesamt galt es. 15 Schüsse auf die 50 Meter entfernte Ordonnanzscheibe B abzugeben.
Punkt 8.25 Uhr rief der Chef Feuerleitung, Peter Planzer, über den Lautsprecher: «Schützen bereit machen, drei Patronen laden und dann drei Schuss in 1 Minute – feuern!» Danach hiess es: «Achtung, es wird gezeigt! Pistole ablegen, die Waffe darf nicht mehr berührt werden!» Ein kräftiger Hornstoss war der Startschuss für die «Zeigermannschaft», denn die Treffer wurden nach alter Väter Sitte mit Fähnlein oder Kelle gezeigt. Danach hatten die Kinder die Aufgabe, die Löcher in den Scheiben wieder zuzukleben. In den Gesichtern der Schützen waren die gezeigten Resultate beinahe ablesbar. Die einen blickten zufrieden und konzentrierten sich danach mit geschlossenen Augen auf die nächste Schussabgabe, während wieder andere verzweifelt den Kopf schüttelten, als die schwarze Kelle ihnen mit Schwenken anzeigte, dass ein Nuller geschossen wurde.
Sensationeller Sieg vom 23-jährigen Raphael Imholz
Der 23-jährige Raphael Imholz aus Attinghausen schoss schon in der ersten Ablösung. Mit seinen 68 Punkten überraschte er alle Fachleute und sich selber auch. Er hatte aber nicht gross Zeit, sich über das Resultat zu freuen, denn er war als Helfer im Sicherheitsdienst eingesetzt. Imholz musste sich sehr lange gedulden, denn erst als der letzte Schuss um 14 Uhr abgegeben wurde, stand sein Sieg definitiv fest und der gelernte Elektroinstallateur meinte bescheiden dazu: «Am Morgen habe ich mir noch keine grossen Gedanken gemacht ob mein Resultat bei meiner dritten Teilnahme hier für einen Spitzenrang reicht oder nicht. Jetzt bin ich natürlich überglücklich, dass es gelungen ist». Imholz schiesst schon seit ein paar Jahren bei den Pistolenschützen Altdorf-Erstfeld über die 25- und 50-Meter Distanz. «Diese Saison lief es mir ausserordentlich gut und ich hoffte deshalb schon auf einen Spitzenplatz – aber den Sieg, den habe ich nicht in den kühnsten Träumen erwartet», so Imholz und dabei bemerkte er noch, dass er von den besseren Bedingungen am Morgen sicherlich auch ein wenig profitieren konnte. Bei der Siegerehrung an der Schützengemeinde wurde er mit dem Kopfkranz geschmückt, bekam den Meisterbecher und zudem erhielt er als Preis aus den Händen von Divisionär Lucas Caduff eine Ordonnanzpistole.
Das zweitbeste Ergebnis erzielte Samuel Maag (Schiessverein Kantonspolizei Zürich) mit 67 Treffern, während Adrian Wild (Schiessverein Grenzwache Basel) auf 66 Punkte kam.
Neuer Rütlibecher für die Stamm- und die sechs ständigen Gastsektionen
Für die sechs Stamm- und sechs ständigen Gastsektionen gab es dieses Jahr den neuen Rütlibecher. Die anderen 87 Gastsektionen müssen bis nächstes Jahr noch warten. Von den Bechergewinnern der Pistolenschützen Altdorf – Erstfeld erzielten zwei Frauen die höchsten Resultate. Ruth Planzer schoss 62 Punkte und Sonja Schuler nur einen Zähler weniger. Albin Gisler kam auf 60 Punkte, während Stefan Schuler und Peter Planzer beide 58 Punkte erzielten.
Kameradschaft wird grossgeschrieben
Kurz vor 10 Uhr holte Urs Janett, der zum zweiten Mal als OK-Präsident amtete, die Ehrengäste mit einem Extraschiff in Brunnen ab. Dort begrüsste er neben vielen Gästen aus Militärkreisen insbesondere Festrednerin, Frau Regierungsrätin Karin Kayser-Frutschi, Nidwaldner Justiz- und Sicherheitsdirektorin. Daneben waren aus dem Kanton Uri Ständerat Josef Dittli, Sicherheitsdirektor Dimitri Moretti und Landratsvizepräsident Ruedi Zgraggen mit dabei. Beim Apéro auf dem Rütli dankte der OK-Präsident für die militärische Unterstützung beim Auf- und Abbau der Infrastruktur, denn ohne diese Hilfe wäre dieser Grossanlass heute kaum mehr durchführbar.
Für viele der 900 Schützinnen und Schützen und den zahlreichen «Schlachtenbummler» war das Pistolenschiessen nicht das Wichtigste, sondern das gemütliche Zusammensein gehörte ebenfalls dazu. Jede der rund 100 Sektionen hat sich schon am Morgen einen Platz auf der geschichtsträchtigen Wiese reserviert. Während in 23 Ablösungen nebeneinander 40 Schützen schossen, wurden an den Grillstellen die Spezialitäten genossen. Dabei gab es nicht nur Bratwürste oder Koteletts, sondern auch Risotto, Raclette und Fondue wurden den Gästen serviert, dazu noch das eine oder andere Gläschen Wein. «Für uns hat das Rütlischiessen einen hohen Stellenwert und besonders die gute Kameradschaft unter den Schützen gefällt mir besonders gut», erklärte Christian Klötzli von der Sektion Schangnau. Bei ihm gab es Emmentaler Käse und Fleisch vom Wasserbüffel. Und Werner Stalder (Sektion Gürbetal) ergänzte: «Uns ist es sehr wohl hier – die ganze Schützenfamilie ist friedlich und besonders schätze ich, dass am Abend alles aufgeräumt ist und überhaupt kein Abfall liegen bleibt».
Feierliche Schützengemeinde
Die Schützengemeinde auf dem Rütli ist etwas vom Eindrücklichsten, denn die 900 Schützen und die rund hundert Standarten geben ein prächtiges Bild ab. Und im Hintergrund glänzt tiefblau der Vierwaldstättersee, welcher von den beiden Mythen überragt wird.
«Heute ist ein ausserordentlich wichtiger Tag für unser Land, denn heute finden die Gesamterneuerungswahlen des Bundesparlamentes statt und er wird zeigen, welche politischen Kräfte in den nächsten Jahren in der Schweiz Oberhand haben», sagte Urs Janett bei der Festrede und weiter betonte er: «Wenn wir die auf uns zukommenden Herausforderungen meistern wollen, so müssen wir zusammenstehen. Ich spreche nicht von der Klimapolitik, sondern meine die existenziell wichtigen Lösungen im Gesundheits- und Sozialversicherungsbereich, aber auch in den Migrationsfragen oder in der Sicherheitspolitik. Wir alle sind gefordert, uns gemeinsam für eine starke und unabhängige Schweiz einzusetzen».
Regierungsrätin Karin Kayser betonte in ihrer Rede, dass wir stolz auf unser Land sein können und sie sprach immer wieder von Patriotismus: «Dieses Wort hat viel mit Respekt gegenüber anderen Menschen zu tun, denn wir leben in Freiheit, sind unabhängig und die Vielfalt der Kulturen in diesem Land sind eine Bereicherung». Sorgen macht ihr der «Ton» in politischen Diskussionen: «Wenn wir die Probleme in unserem Land lösen wollen, so müssen wir untereinander anständig sprechen und nicht die anderen Personen, welche eine andere Meinung haben, angreifen». Danach spielte die Seedorfer Blaskapelle die Landeshymne, bevor es zu den einzelnen Siegerehrungen ging. (Paul Gwerder)
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